Max geht für Erika einkaufen. Die Seniorin braucht seit dem Tod ihres Mannes ein bisschen Unterstützung im Alltag. Ihre Kinder leben weit weg. Max bietet sich als Helfer an. Diese per Videoclip dargestellte Nachbarschafts-Hilfe-Situation haben rund 30 Besucherinnen und Besucher im Sulzberger Bürgerzentrum erlebt. Auf Einladung der Kümmerei Sulzberg waren Seniorenbeauftragte des Landkreises sowie einige Bürgerinnen und Bürger gekommen, um die neue Hilfevermittlungs-App kennenzulernen. Die Implementierung der App und eine Testphase begleitet das Bayerischen Zentrum Pflege Digital (kurz BZPD), ein Forschungszentrum der Hochschule Kempten, aus wissenschaftlicher Perspektive.
Sulzberg ist die siebte Gemeinde, und die erste in Bayern, die die App der Firma Hilver aus Ötigheim in Baden-Württemberg nutzt. Die App ist eine digitale Plattform zur Hilfevermittlung von Alltagsleistungen. „Wir als Kümmerei haben bislang umständlich und über nicht datenschutzkonforme Kommunikationswege Hilfen für unsere Senioren in der Gemeinde organisiert“, erklärte Manfred Herb. Der Seniorenbeauftragte der Gemeinde ist überzeugt, mit dem äußerst einfachen Bedienungs-Konzept der Hilver-App die Helferinnen und Helfer der Kümmerei zu entlasten, aber auch den Hilfesuchenden auf niederschwellige Art neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Was die App alles kann, wie die Implementierung in der Gemeinde funktioniert, wie sich die Lizenzgebühren zusammensetzen und wie die Hilfen dokumentiert werden – all das hat der Firmeninhaber Thomas Walter bei der Auftaktveranstaltung in Sulzberg erklärt. Das Hilfevermittlungskonzept ist quasi in zwei Apps gegliedert – eine für die Helferinnen und Helfer, eine für die Nutzerinnen und Nutzer. Im Helferbereich tragen die Ehrenamtlichen ihre Tätigkeiten und ihre Tage, an denen sie helfen können, ein. „Gibt eine Seniorin wie unsere Erika in der App ein, dass sie am Freitag Hilfe beim Einkaufen braucht, ploppt dieses Hilfsgesuch bei allen Helfern, die einkaufen möchten und die am Freitag Zeit haben, auf. Einer von diesem Personenpool muss die Aufgabe annehmen“, beschrieb Thomas Walter den Prozess detailliert. Dass sämtliche ehrenamtlich Engagierte in der Kümmerei persönlich bekannt, ein polizeiliches Führungszeugnis haben und offiziell registriert sind, erklärte Manfred Herb einer Dame aus dem Publikum, die ihre Sorge äußerte, dass „fremde Personen auf einmal bei mir zu Hause stehen“.
Hilver-Chef Thomas Walter musste an diesem Nachmittag freilich auch zahlreiche Fragen der interessierten Seniorenbeauftragen beantworten. So wurde auch betont, dass hilfesuchende Seniorinnen und Senioren nicht unbedingt ein Smartphone benötigen, sie können ihre Anfrage auch telefonisch bei der Kümmerei stellen, dort wird die Hilfevermittlung in der App angelegt.
Damit die Verantwortlichen sämtliche Funktionen der App selbst kennenlernen konnten, fand bereits ein mehrstündiger Workshop mit der Herstellerfirma Hilver und den Mitarbeitern der Kümmerei statt – auch diesen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule begleitet: „Wir haben eine Beobachterrolle in diesem Projekt und dokumentieren, wie alle Beteiligten mit der App zurechtkommen, welche Hürden es gibt und welche Auswirkungen die Nutzung einer solchen Plattform für das Leben von älteren Menschen und deren Angehörige im eigenen Zuhause hat“, erklärte Prof. Johannes Zacher, der wissenschaftliche Leiter des Bayerischen Zentrums Pflege Digital.
Hintergrund zum BZPD:
Das Bayerische Zentrum Pflege Digital (kurz BZPD) ist ein Forschungsinstitut der Hochschule Kempten. Mitarbeiter in interdisziplinär besetzten Arbeitsbereichen forschen zu den Zukunftsfragen und Problemstellungen der pflegerischen Versorgung im digitalen Wandel, die im häuslichen Umfeld und im kommunalen Sozialraum zu bewältigen sind. Das BZPD berät Politik und Gesellschaft, soziale Träger und Industrie mit dem Ziel, die Pflege von älteren Menschen unter Nutzung digitaler Möglichkeiten neu zu gestalten. In diesem Forschungskontext versteht sich das BZPD als Impulsgeber und Innovationstreiber für intelligente digitale Lösungen in der häuslichen Versorgung älterer Menschen und begleitet die Veränderungsprozesse, die mit einer zunehmenden Digitalisierung einhergehen.